Kurzfassung der Studie 

„Arbeit lohnt sich immer?!“

Zwischen Sollen, Wollen und Können. Warum Langzeitarbeitslose trotz Fach- und Arbeitskräftemangel selten in den Arbeitsmarkt eintreten.

Qualitative, explorative Pilotstudie: „Arbeit lohnt sich immer?! – Zwischen Sollen, Wollen und Können. Warum Langzeitarbeitslose trotz Fach- und Arbeitskräftemangel selten in den Arbeitsmarkt eintreten.

 

1. Ausgangslage: Die Studie widmet sich der kontroversen Frage: Warum treten Langzeitarbeitslose  trotz zahlreicher offener Stellen selten in den Arbeitsmarkt ein? Es ging darum, Langzeitarbeitslosigkeit, ausgehend von der Perspektive Betroffener, zu verstehen. 

2. Zielsetzung: Ziel der Studie ist, die Versachlichung in der Debatte um Langzeitarbeitslosigkeit: Ursachen für den Verbleib im Transferbezug sollen differenziert aufgezeigt und Handlungsoptionen erörtert werden. 

3. Beteiligungsorientiertes Studiendesign: Langzeitarbeitslose waren als Co-Forscher:innen in gesamten Forschungsprozess eingebunden. Nach einer intensiven Schulung haben sie Interviews auf Augenhöhe mit anderen Betroffenen geführt. Insgesamt fanden bundesweit 34 qualitative Tiefeninterviews sowie drei Fokusgruppen-Workshops statt.

4. Zentrale Erkenntnisse:

  • Langzeitarbeitslosigkeit ist ein sich selbst verstärkender Zustand: 

Keine Einzelursache, sondern multiple, miteinander verwobene sowie verinnerliche Hemmnisse

Abwärtsspirale und Problemüberfrachtungen führen zu Überlebensmodus, im Extremfall zu Resignation 

Starke Sicherheitsorientierung, Zukunftspläne geraten in den Hintergrund   

Gina P. (Fall Nr. 13): „Die Krankheit hat mich arbeitslos gemacht und die Arbeitslosigkeit macht mich krank. Und das ist der Kreislauf, der sich immer weiter fortsetzen würde.“

  • Ambivalenz und Ängste bezüglich eines Einstiegs in den Arbeitsmarkt zu Mindestlohn:

Haltung liegt häufig zwischen Wollen und Nicht-Wollen und dies trotz hohem Leidensdruck und Wunsch nach einer Perspektive

Ambivalenz liegt begründet in ausgeprägter Angst, vor allem vor dem Übergang in den Arbeitsmarkt

Multiple Angstformen: Angst vor Bewerbungen, Versagensängste, Angst vor Sicherheitsverlust, prekärer Beschäftigung etc.

Betroffene treffen Risiko-und Nutzenabwägungen und fragen sich: Was ist in meiner fragilen Lage leistbar?

Zum Teil sind auch Ressourcen und Zukunftsideen vorhanden, an die man im Rahmen eines Coachings anknüpfen könnte

Matze (Fall Nr. 2): „Ich denke, das (A.d.R. Einstieg in den Arbeitsmarkt) ist eine mächtige Sache von Selbstvertrauen. Wenn man so einen Zettel sieht, nach Hause zu gehen, seine Bewerbungsunterlagen fertig zu machen und mit den Sachen dahin zugehen. Das ist für viele wirklich ein großer Schritt. (…) Also für mich ist das eine Angstsituation.“

Prof. Dr. Markus Promberger (IAB): „Der innovative Hauptbefund der Studie ist aus meiner Sicht vor allem, auf die Unsicherheit und Angst aufmerksam zu machen, die mit Langzeitarbeitslosigkeit, aber auch mit anschließenden Erwerbsaufnahmen verbunden ist“

  • Notwendigkeit nach individueller Begleitung auf Augenhöhe: 

Übergang in den ersten Arbeitsmarkt als „heikle Phase“, muss im Rahmen individueller Fallarbeit aktiv angegangen und sensibel begleitet werden

Subjektive Ängste, aber auch Ideen und Ressourcen Betroffener müssen erstgenommen werden und Berücksichtigung finden

Statt Sanktionsandrohungen braucht es wohlwollenden Druck 

„Standardverfahren“ in der Vermittlung  sind häufig wenig effektiv - für Betroffene und Arbeitgeber:innen

  • Bessere Nutzung vorhandener Instrumente sowie stärkerer Einbezug von Good-Practice und Arbeitgeber:innen: 

SGB II verfügt über gute Instrumente, diese scheitern jedoch häufig an der Umsetzung (starke regionale Heterogenität, mangelnde zeitliche und finanzielle Ressourcen)

Regionale Good-Practice sollte mehr Berücksichtigung finden

Stärkerer Fokus auf den Einbezug von Arbeitgeber:innen:  Entwicklung innovativer Ansätze wie Schnuppertouren zu Arbeitgeber:innen, Buddy-Programme, Betriebspraktika

Beschäftigungsansätze (AGH und 16i) sollten durch flankierende Begleitung stärker als Training-und Transferräumen genutzt werden

Jan Hampp (Bäckermeister und Geschäftsführer von „hamppwerk“):„Und ich glaube, das wäre ein Lösungsansatz, den ich sehr toll finden würde, wenn man mit Langzeitarbeitslosen Betriebsbesichtigungen macht.“

Titus Kaufmann (Unternehmer): „Man darf die Betriebe nicht vergessen, die müssen unbedingt an die Hand genommen werden, weil sonst nichts passiert. Probearbeit, Coaching, aktive Vermarktung, vielleicht auch Mediation, wenn irgendwie was nicht läuft im Unternehmen, dass man dann dazukommt und gemeinsam eine Lösung findet, ohne dass das Beschäftigungsverhältnis gleich schon wieder endet.“

Denis Kreissl (Geschäftsführer von „Ludwig Häberle Logistik“): „Die Branche ist eigentlich ideal für die Menschen, die wieder arbeiten wollen. Mit Zuschuss, glaube ich, könnte es sehr, sehr gut funktionieren. Also ich glaube, da kann man sehr viele Menschen wieder in Lohn und Brot bekommen, wenn man ein gutes Konzept hinkriegt. Der Steuerzahler bezahlt es ja ohnehin, dann können wir das Geld auch so nutzen, dass sie eingegliedert werden.“

Fazit: Es braucht Brücken in den Arbeitsmarkt, diese Brücken müssen durch gute Konzepte gestaltet werden.